Der nächste „Witz“: Stuttgart 21 – später fertig und deutlich teurer

Wer einen Ausländer nach typisch deutschen Eigenschaften fragt, wird auf der Positivseite oft „Planung“ und „Pünktlichkeit“ genannt bekommen. Auch die Deutschen selber sehen das wohl so. Dass die Eröffnung des Hauptstadtflughafens „BER“ schon x-Mal verschoben wurde und bisher nur explodierende Kosten sicher sind, kann man vielleicht noch mit einer gewissen hauptstädtischen (Bau-)Arroganz abtun, als Verwaltungszentrum eines Landes ist man eben „mehr“ als nur eine einfache Großstadt, zumindest subjektiv betrachtet. Auch die Sache mit der Elbphilharmonie in Hamburg – hier verschob sich die Eröffnung um sieben Jahre, während sich die Baukosten verzehnfachten (!) – ist geschenkt, hier ging es ja „nur“ um Kultur, ein paar Wohnungen, eine schöne Aussicht und die Schaffung eines „Wahrzeichens“.

Nun also mal wieder einmal Stuttgart 21. Die Spatzen pfiffen es schon von den Dächern, was der Aufsichtsrat der Bahn am Freitag in Berlin beschloss. Demnach soll das Projekt jetzt bis zu 8,2 Milliarden Euro kosten und dafür erst 2025 fertig werden. Zuletzt ging man von gut 7,5 Milliarden Euro und 2024 aus. Ursprünglich sahen die Planungen freilich den Jahreswechsel 2019/2020 als Eröffnungszeitpunkt vor, die veranschlagten Kosten lagen bei 4,5 Milliarden Euro.

Worum geht es eigentlich bei Stuttgart 21?

Erstmals richtig aufmerksam auf das Projekt wurde man außerhalb des Schwabenlandes durch die massiven Proteste, die es ab Ende 2009 gab und die schließlich im Herbst 2010 zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei führten. Vereinfacht gesagt geht es darum, den aktuellen Kopfbahnhof in einen Durchgangsbahnhof umzuwandeln und diesen unter die Erde zu verlegen. Das soll sich nicht nur positiv auf die internationalen Fernstrecken auswirken, sondern auch den gesamten Verkehr – nicht nur der Bahn – in Baden-Württemberg positiv beeinflussen. Aus diesem Grund vereinbarte die Deutsche Bahn mit der Bundesrepublik, der EU, dem Land Baden-Württemberg, der Stadt Stuttgart und auch mit dem Flughafen Stuttgart eine Kostenbeteiligung, schließlich würden alle letztlich davon profitieren.

Kopfbahnhöfe sind ein Relikt vor allem aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, als man Bahnhöfe außerhalb der damaligen Stadtzentren anlegte und auch noch mit Dampfloks verkehrte, die öfters mal gewechselt werden mussten, da eine Lok nur begrenzt Kohle mitnehmen konnte. Heute erweisen sie sich als nachteilhaft: sie benötigen mehr Platz, es muss relativ viel rangiert werden und die Fahrzeiten und -wege verlängern sich dadurch.

Kritiker von Stuttgart 21 sehen bei dem geplanten Vorhaben keine Vorteile. Das Konzept als „Wendebahnhof“ verspräche keine merklichen Zeitgewinne, zudem sei das ganze umweltschädlich und letztlich überteuert. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass man bei der Planung keine Alternativen wirklich geprüft habe und eine Konzentration der Landesregierung auf dieses Projekt schließlich auch dazu führe, dass andere Infrastrukturmaßnahmen hintenangestellt werden.

Warum kommt es immer wieder zu Verzögerungen – und wer zahlt am Ende eigentlich?

Als Gründe für die immer wieder auftretenden Verzögerungen werden Probleme mit dem Baugrund, fehlende Bauplanung und gestiegene Baupreise genannt. Letztere entstehen nicht dadurch, dass die Baubranche in Deutschland derzeit boomt und die Leistungen entsprechend teurer werden, sondern vor allem durch einen aufwendigeren Tunnelbau und ebensolche Genehmigungsverfahren.

Bis heute ist übrigens nicht wirklich geklärt, wer die Mehrkosten überhaupt trägt. Die Bahn möchte ihre Finanzierungspartner beteiligen, was von diesen verständlicher Weise aber abgelehnt wird. Unabhängig von der letztlichen Aufteilung der Kosten steht aber wohl schon fest, dass am Ende der Steuerzahler der Leidtragende ist.

Dessen Leidensfähigkeit wurde und wird ja bereits bei den einführend genannten Prestigeprojekten hinreichend strapaziert. Das Schlimme an Stuttgart 21 ist, dass man seit dem ersten Spatenstich am 2. Februar 2010 – der Bundesverkehrsminister hieß damals übrigens Ramsauer und der örtliche Ministerpräsident Oettinger – sich kaum dem Eröffnungsdatum nähern konnte. Jede offizielle und inoffizielle Verschiebung hatte – neben weiteren Mehrkosten – nämlich gemein, dass es immer noch ca. acht Jahre bis zur Fertigstellung sein werden: 2012 sollte es 2020 werden, 2013 dann 2022, irgendwann war von 2023, 2024 und nun eben von 2025 zu lesen.

Wie groß muss die Verzweiflung sein, wenn im Rahmen der Aufsichtsratssitzung nun zu hören war, dass „der Bahnvorstand glaubhaft dargelegt habe, dass die Fortführung des Projekts wirtschaftlicher als ein Abbruch sei“?! Im jetzigen Finanzierungsrahmen sind übrigens mal eben 495 Millionen Euro als Finanzpuffer für „unvorhergesehene Ereignisse“ eingeplant wurden. Was nach acht Jahren Bauzeit noch „unvorhersehbar“ sein soll, bleibt allerdings schleierhaft und irgendwie wenig glaubhaft.

(Stefan Höhm)