Über nichts lässt sich so schön streiten wie über das Thema Essen. So wie es oft „zum guten Ton“ gehört, über das Kantinenessen zu meckern, so sehr beklagten sich auch Fluggäste über die Kost, die ihnen hoch über den Wolken serviert wurde. Für die Fluggesellschaften ist es natürlich insbesondere in der Business- und Firstclass unangenehm, wenn der Kunde für sein gutes Geld nicht zufriedengestellt werden konnte.

Die Bedingungen in einem Flugzeug sind freilich auch ganz andere als auf dem Boden. Luftfeuchtigkeit, Vibrationen, Lärm und Niederdruck, aber hier und da auch persönliche Anspannung führen zu einer ganz anderen Situation als auf dem Boden. So herrscht in einem Flugzeug mit einer Reiseflughöhe von 10.000 Metern ein Luftdruck wie auf einem 3.000 Meter hohen Berg.

Die Lufthansa wollte es einmal genauer wissen und ließ im weltweit einzigartigen Fluglabor der Fraunhoferinstituts, einem ausrangierten Rumpf einer A310-200,  die veränderten Geschmacks- und Geruchswahrnehmungen untersuchen mit dem Ziel, die Rezepte ihrer Bordmahlzeiten zu optimieren. Die Ergebnisse waren erstaunlich: die Probanden, die das identische Menü bereits zuvor vorgesetzt bekamen, stellten geschmackliche Veränderungen fest. Die Geschmacksnerven arbeiten unter den Bedingungen einer Flugzeugkabine ungefähr so, als wenn der Fluggast Schnupfen hatte. Salz wird um 20 bis 30% weniger wahrgenommen, bei diversen Zuckerarten sind es 15 bis 20%. Ebenso schmecken Kräuter „flacher, während sich Säuren geschmacksbeständig zeigen. Auch bei Weinen wurden „revolutionäre“ Änderungen festgehalten: ein Weißburgunder schmeckt über den Wolken eher wie ein Riesling, aus einem Silvaner wird ein Müller-Thurgau. Der Grund hierfür ist, dass Restsüße weniger wahrgenommen wird, während Gerbstoffe eher dominanter daherkommen.

Singapore Airlines unterwarf seine Menüs einem simulierten Höhentest in einer Unterdruckkabine. Ergebnis war unter anderem , dass sich die Feuchtigkeit von Fisch verändert und auch ein höherer Feuchtgehalt bei Gebäck beliebt ist. Backwaren, die am Boden als weich und pampig wahrgenommen wurden, schmecken im Flieger genau richtig.

Wissenschaftler der Cornell University kamen bei ihren Untersuchungen ganz ohne Drucksimulatoren aus. Sie setzten ihre Probanden einfach einem Lärmpegel und stellten fest, dass die Geschmacksrichtungen salzig, sauer und bitter zwar unterverändert blieben, wurde süß als weniger intensiv empfunden, während sich „vollmundige“ Geschmacksrichtungen eher noch verstärkten.

Für die Fluggesellschaften sind diese Ergebnisse hochinteressant. Zugleich werden sie damit vor neue Aufgaben gestellt, denn die stärkere Verwendung von Salz, Gewürzen und Zucker würden das „Zusammenspiel“ ebenfalls aus dem Gleichgewicht bringen. Nun können Spitzenköche wie Paul Bocuse, Harald Wohlfahrt oder Thomas Martin, mit denen die Lufthansa schon seit 10 Jahren zusammenarbeitet, ihr Können unter gänzlich neuen Bedingungen zeigen.

Es gibt übrigen auch einen geschmacklichen Lichtblick, denn Tomatensaft, der auf dem Boden zuweilen als muffig, erdig und im Geschmack eher sauer und salzig wahrgenommen wird, wandelt sich in Reisehöhe zu einem fruchtigen, süßen und mit kühlenden Geschmackseindrückenden versehenem Getränk. Die Passagiere haben es schon immer gewusst – nun kennen auch die Fluggesellschaften den Grund für seine Popularität über den Wolken